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Akeem
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Kurzgeschichten-Wettbewerb - Quarantäne Empty Kurzgeschichten-Wettbewerb - Quarantäne

21.05.20 21:16
Hallo Leute,

wiederholt kamen die Anfragen, ob es nicht einen neuen Kurzgeschichten-Wettbewerb geben kann.  Lange habe ich gezögert und mit mir gehadert, weil ich nicht das Gefühl hatte, in irgendwelchen anschließenden Reviews noch etwas Neues zu sagen hätte. Oft kam die Kritik, ich würde immer nur dasselbe predigen und es stimmt auch: Oft hab ich immer und immer wieder dieselben Punkt angesprochen und immer wieder neu aufgeführt. Ich habe das Gefühl, dass ich einfach nichts mehr neues mitzugeben habe.
Trotzdem ist das Interesse bei euch so hoch, dass ich mich entschlossen habe, einen neuen Wettbewerb zu organisieren. Allerdings hat sich die beschrieben Thematik nicht geändert: Ich fühle mich nicht in der Lage irgendwelche Reviews zu schreiben. Zukünftige Wettbewerbe werden deswegen auch erst einmal auf unbestimmte Zeit ohne Reviews von mir auskommen müssen. Sollte sich jemand finden, der meiner Stelle die Jury-Reviews übernehmen möchte, kann er oder sie sich gerne bei mir melden. Solange wird es jedoch kein detailliertes Feedback mehr zu den Geschichten geben. Eine Teilnahme ist also nur zum Spaß (und natürlich um ein Abzeichen zu gewinnen).

Dieser kleiner Disclaimer davor. Ich werde ggf. die Regeln und den Ablauf, den ich hier verlinkt habe, noch anpassen, sollte sich niemand bereit erklären die Jury-Arbeit zu übernehmen.

Aber nun zum Thema. Ich denke es ist ziemlich einfach für euch alle, schließlich lebten und leben wir es noch: 

Quarantäne


Dieser Begriff ist natürlich wie immer frei zur Interpretation und jeder der will kann mitmachen!


Hier nun die wichtigsten Fakten:
Die Geschichte ist bis zum 
30.06.2020 23:59 Uhr einzureichen. 
Alle weiteren Regeln findet ihr hier:
https://anime.forumieren.de/t5871-aktuelles-regelwerk-kurzgeschichten-wettbewerbe

Bitte lest und beachtet diese vor der Abgabe.






Diese Abzeichen gibt es zu gewinnen, wie immer herstellt von   @Mithras:
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Kurzgeschichten-Wettbewerb - Quarantäne Empty Re: Kurzgeschichten-Wettbewerb - Quarantäne

02.07.20 17:26
Die Augen, aus denen ich sah
von @BlackCloud

Das fahle Mondlicht schien durch den dünnen Stoff der Gardinen. Eine leichte Brise wehte herein. Im Bett schlief Marie, das kleine Mädchen mit den blonden Locken und den roten Wangen. Das Bett neben ihr war leer. Ihr Bruder war nicht zu sehen. Marie drehte sich von einer Seite zur nächsten. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt, ihre Bewegungen unruhig. Sie träumte schlecht. Unheilvolle Schritte und eine leise Frauenstimme, die Unverständliches vor sich hermurmelte, klangen so wie in jeder Nacht, auf dem langen und schmalen Flur.
Es wurde leiser, bis im nächsten Augenblick völlige Stille herrschte. Auch Marie lag da, als würden sie die dunklen Geschöpfe nicht verfolgen, die nach ihrer Seele trachteten, oder als hätte sie die Schlacht gewonnen, die sie in jeder Nacht aufs Neue schlagen musste.
Plötzlich öffnete sich die Tür. Es war der kleine 12-jährige Vincent. Der braunhaarige, zierliche Junge ging zu seiner Schwester ans Bett, kniete sich vor sie und legte seine blasse Hand auf ihre zarte Schulter.
„Wach auf, Marie!“, sagte er aufgeregt und voller Eifer. Widerwillig öffnete das Mädchen die Augen und setzte sich auf, während sie mit ihren kleinen Händen den restlichen Schlaf aus ihren azurblauen Augen rieb.
„Ich war draußen!“, berichtete er.
„Was? Du warst draußen...? Aber wie...? Mama hat doch gesagt, wir sollen nicht rausgehen!“, entgegnete das Mädchen voller Empörung, auch wenn die Worte durch ihre engelsgleiche Stimme zuckersüß klangen.
„Aber sieh doch, Marie! Es geht mir gut!“
Der Junge schien froh und von Mut erfüllt. Eine Last, die Jahre zentnerschwer auf seinen Schultern lastete, war offensichtlich gefallen.
„Ich lief durch das Feld“, erzählte er, wild gestikulierend. „Ich spürte die Erde unter meinen Füßen und es roch so wunderbar! Marie! Du musst es dir ansehen!“
„Aber Vince... Mama hat gesagt, wenn wir rausgehen, dann werden wir krank und sterben! So wie Oma und Opa!“
„Mama war seit Jahren nicht mehr draußen, Marie! Vielleicht ist es wieder gut! Vielleicht ist alles wieder normal! Komm! Bitte, komm mit!“, flehte er förmlich, während er die Hände seiner Schwester krampfhaft in seinen hielt.
„Aber ich habe Angst! Was ist, wenn das passiert, was Mama gesagt hat! Mama hat gesagt, dass wir überall rote Punkte bekommen und ganz viel husten müssen! Dass es dann übera-“
„Ich weiß, was Mama sagt! Hab keine Angst. Ich beschütze dich! Versprochen!“
Das Mädchen vertraute ihrem Bruder. Sie gingen auf leisen Sohlen aus dem Zimmer, die Treppen nach unten. Und dann hörte man ganz leise, wie die Tür ins Schloss fiel. Hatten sie tatsächlich jenes Haus verlassen, welches ein Gefängnis seit Anbeginn ihrer Zeit war? Einige Minuten war es still. Etwa dreimal hatte sich der große Zeiger um die Scheibe gedreht, als es urplötzlich laut polterte und die zornige Stimme der Frau das wärmste Herz erfrieren ließ. Das Kinderlachen, welches von draußen ins Innere drang, verstummte.
Eine Weile geschah nichts. Der Zeiger drehte sich weiter. Fünf, sechsmal vielleicht. Eine Frau mit langen, zottelig-gräulichen Haaren, tiefen Augenrändern und einem vergrauten Nachtgewand stürmte in das Kinderzimmer. Sie tobte wild umher, schlug mit den Fäusten ins Nichts. Dann blieb sie plötzlich stehen. Sie drehte den Kopf und sah zu mir herauf. Ihr Blick verdüsterte sich. Die langen, dünnen Finger griffen nach der Lampe auf dem Nachtisch. Der Lampenschirm fiel auf den schmutzigen Boden. Ihre nackten Füße zeigten in meine Richtung. Ein letzter Schrei, ein letzter gezielter Wurf. Dann wurde alles schwarz. Ich hatte keine Erinnerung mehr. Es war wie ein dunkles Loch. Eine Endlosschleife, entsprungen aus den Weiten des Nichts.
Ich weiß nicht wie oft der Zeiger sich um sich selbst gedreht hätte. Wie viel Zeit vergangen war seit jener Nacht. Auf einmal sah ich in wunderschöne, azurblaue Augen. Ich war mir sicher, es waren die Augen des kleinen Mädchens. Maries Augen. Aus ihr war eine junge, schöne Frau geworden. Ich sah mich um. Es war hell. Durch das offene Fenster wehte frische Luft herein und die Motorgeräusche der befahrenen Straße verhießen Leben.
„Hast du das alte Ding echt aufgehoben?“, hörte man eine tiefe Stimme fragen. Aus dem Nebenzimmer trat ein junger Mann, der seinen Unterleib nur mit einem Handtuch bedeckt hatte. Die Wassertropfen liefen an seinem perfekt geformten Oberkörper herab und die nassen Haare klebten an seinen markanten Gesichtszügen.
„Sie gehörte Oma! Mama hatte immer gesagt, dass ihre Seele in dieser Uhr ruhte und dass sie uns vor allem Bösen beschütze...“
„Meiner Meinung nach hättest du die alte Holzeule wegwerfen sollen!“, sagte der Mann sichtlich amüsiert und fuhr sich mit seiner großen Hand durch das dunkle, nasse Haar.
„Ich finde die Uhr schick... alt, aber schick. Und außerdem erinnert sich mich an die alten Zeiten.“
„Du hattest nicht die schönste Vergangenheit, Marie.“
Marie. Ich hatte mich also nicht getäuscht. Die Erinnerung an das kleine Mädchen war noch da.
„Ich meine, deine Mama hat sich umgebracht, dein Bruder ist in der Anstalt gelandet. Keine Zeit, an die man sich gerne erinnert, oder?“
Seine Art und Weise mit schweren Situationen besonders empathisch umzugehen, schien Marie bekannt zu sein. Sie wirkte unbeeindruckt.
„Aber es war Omas Uhr... und ihr Heiligtum. Die Uhr bleibt!“, beschloss sie, drehte sich fort von mir. Ihre langen, blonden Locken schwangen mit. Frech kichernd zog sie das Handtuch von den Hüften des Mannes, der nun da stand, wie Gott ihn erschuf, woraufhin eine wilde Verfolgungsjagd begann.
Das Virus hatte nur einen Feind: die eigenen dunklen Gedanken, erschaffen durch einen schweren Verlust. Ein Leben hatte meine Tochter nach so vielen Jahren Martyrium und falschen Vorstellungen zerstört. Das andere schien gerettet. Und der Zeiger drehte sich weiter.
Der Mann ließ sich auf das Bett fallen und zwischen seinen Zeigefingern hielt er Marie einen Umschlag entgegen.
„Der Brief ist heute Morgen angekommen. Direkt aus der Anstalt“, sagte er voller Herablassung.
„Von Vince? Rede nicht so!“
Sie riss den Kuvert aus seinen Fingern und öffnete jenen besonders sorgfältig und so langsam, dass man meinen konnte, sie hatte Angst die Zeilen zu lesen. Ich konnte sehen wie ihre azurblauen Augen jedes Wort aufsaugten. Ihre vollen, roten Lippen sich mehr und mehr zusammen pressten und sie ihre Stirn in Falten legte.
„Was hat er diesmal? Pocken?“, fragte der Mann und betrachtete mit hochgezogenen Augenbrauen die Innenfläche seiner rechten Hand.
„Er will mich sehen...“
„Was? Darauf willst du dich ja wohl nicht einlassen, oder? Der Kerl ist irre!“
„Er ist mein Bruder!“
„Und er ist unberechenbar! Lass es einfach sein! Verbrenn den Brief und diese Eule, bevor ich es tue!“
Es war eine Drohung. Ich mochte diesen Kerl nicht. Marie haderte mit sich.
Die Zeit verging. Stunden, in denen Marie nicht zuhause war. Erst als es dunkel geworden und der dicke rot-gestreifte Kater das Bett für sich beansprucht hatte, hörte ich, wie sich die Tür öffnete und kurz darauf die Deckenlampe helles Licht spendete. Marie kam in die Einraumwohnung, aber sie war nicht allein. Mit ihr kam Vincent. Ein zierlicher, hochgewachsener junger Mann. Er trug einen stoppeligen Kinnbart. Seine Wangen wirkten eingefallen, doch seine warmen, kastanienbraunen Augen waren noch dieselben wie vor so vielen Jahren.
„Es ist nicht groß, aber für mich reicht's!“
„Und du wohnst alleine hier?“, fragte Vincent. Er wirkte schüchtern, vielleicht sogar etwas nervös, als er unruhig an seinem Ärmel zupfte und Marie ihre Jacke über den Gaderobenständer neben der Tür hang.
„Ja! Ich bekomme nur manchmal Besuch.“
Unwillkürlich schmunzelte sie und fragte ihren Bruder, dessen Gegenwart ihr noch etwas Unbehagen zu bereiten schien: „Willst du etwas trinken? Kaffee, Tee, Wasser?“
„Wasser... Danke“, sagte er und ließ seinen Blick umherwandern. Marie drehte ihm den Rücken zu und nahm aus dem Kühlschrank eine Flasche Wasser. Aus dem Küchenschrank nahm sie ein Glas und füllte es mit dem kalten Nass. Als sie sich umdrehte, stand ihr Bruder nur ein Stückweit von ihr entfernt. In der zitternden Hand hielt er ein Messer. Voller Schreck fiel Marie das Glas aus der Hand und zerbrach in seine spitzen Einzelteile.
„Vincent! Was soll das?“, fragte sie und trat ein paar Schritte zurück, bis sie an die Küchentheke anstieß.
„Du hast die Uhr noch! Wieso hast du sie noch?!“, fragte er. Seine Stimme zitterte, klang unsicher. Angsterfüllt. Überfordert.
„Ja... ich habe sie von Onkel Peter geschenkt bekommen. Er hatte sie bei sich aufbewahrt...“
„Du sollst sie nicht behalten! Warum tust du das?!“
Es war eine deutliche Verzweiflung, die direkt aus seinem Herzen sprach.
„Aber sie gehörte Oma. Warum soll ich sie nicht als Erinnerung behalten?“
„Erinnerung? Sie tickte in jeder Nacht! In jeder verdammten Nacht, in diesem verdammten Haus!“, erinnerte er sich. „Ich will, dass es aufhört! Ich will dieses Ticken nicht mehr hören!“
„Ok, ok... Ich werde sie abhängen, okay? Bitte... nimm das Messer runter, Vince...“
„Nenn mich nicht, Vince!“, mahnte er zornig, während seine Hand heftig bebte.
„Ok...“
Mit erhobenen Händen ging sie langsam an ihm vorbei, drehte ihm, wenn auch etwas zögerlich, den Rücken zu und streckte die Hände nach mir aus. Vincent kam bedrohlich nahe, holte aus und ich schreckte auf. Schweißgebadet schlug mein Herz bis in den Kopf. Ich sah mich um. Ich war zuhause, lag auf meinem grünen Sofa. Fernsehgeräusche liefen im Hintergrund. Es roch nach frisch gebackenem Kuchen und durch das offene Fenster wehte eine angenehme Brise herein. Ich sah zum Kamin. Von dem Foto mit dem roten Bilderrahmen aus lachten mich die freudestrahlenden Augen von Marie und Vincent an. Eine leichte Flamme loderte noch. Der dicke, rot-gestreifte Kater sah mich mit seinen bernsteinfarbenen Augen vom Seidenteppich aus an. Ich griff nach der Fernbedienung und wollte diesen gerade ausschalten, als ich doch noch einen Augenblick verweilte. Die schöne Frau mit den schwarzen, glänzenden Haaren und dem feinen lavendelfarbenen Hosenanzug berichtete von alledem, was zurzeit in der Welt geschah. Ich lauschte ihren Worten. Aber nur für einen Moment. Seufzend schaltete ich den Fernseher aus, stand auf und ging zum Fenster. Ich sah hinaus auf eine schneebedeckte Landschaft und hörte die Stimme meiner Tochter aus dem Telefon sagen: „Hallo, Mama. Wie ich sehe, bist du ja wieder mal nicht zu erreichen. Wie es aussieht, werden wir uns wohl längere Zeit nicht sehen können. Ich hoffe, es geht dir und Papa gut. Melde dich doch bitte. Okay... Bis dann. Wir haben dich lieb und vermissen dich ganz doll, oder?“
„Ja, wir haben dich lieb!“, hörte ich Marie kichernd rufen. Dann war die Nachricht beendet. Und die Uhr tickte weiter.
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02.07.20 17:48
Dieses Mal gab es leider nur eine Abgabe, aber immerhin können wir so eine Gewinnerin küren: 
Herzlichen Glückwunsch @BlackCloud !!



Kurzgeschichten-Wettbewerb - Quarantäne DD4uLPd
Das Thema schien doch etwas zu schwer zu sein und es soll auf jeden Fall noch weitere Wettbewerbe geben, schließlich gab es im Vorfeld viel Interesse. Aber welches Thema würde euch am besten gefallen?
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02.07.20 21:31
Hätte mich zwar über etwas Konkurrenz gefreut, aber ja... Danke ;-)
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Kurzgeschichten-Wettbewerb - Quarantäne Empty Re: Kurzgeschichten-Wettbewerb - Quarantäne

02.07.20 22:05
Oh nooo. Nur einer? Ich hätte so gerne mitgemacht,aber mir hat die Uni einen strich durch die Rechnung gemacht... herzlichen Glückwunsch!!
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Kurzgeschichten-Wettbewerb - Quarantäne Empty Re: Kurzgeschichten-Wettbewerb - Quarantäne

02.07.20 22:35
Dankeschön.
Akeem
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Kurzgeschichten-Wettbewerb - Quarantäne Empty Re: Kurzgeschichten-Wettbewerb - Quarantäne

11.07.20 14:17
Wer Interess an einem neuen Wettbewerb hat, kann ja mal hier für ein Thema voten (Auswahl wurde durch Gespräche mit ehemaligen Teilnehmern gemacht): https://www.strawpoll.me/20562229


Ihr könnt übrigens für mehrer Themen in diesem Poll voten!
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